Kopfbild DEKOR

Christian Friedrich Hebbel 1813-1863

Rosengedichte

Der Blinde sitzt im stillen Tal
und atmet Frühlingsluft,
Ihm bringt ein Hauch mit einem Mal
des ersten Veilchens Duft.
Um es zu pflücken, steht er auf,
sucht, bis die Nacht sich naht,
Und ahnt nicht, dass in irrem Lauf
sein Fuß es längst zertrat.


Aus den Knospen, die euch deckten,
Süße Rosen, mein Entzücken,
Lockte euch der heiße Süd;
Doch die Gluten, die euch weckten,
Drohen jetzt, euch zu ersticken,
Ach, ihr seid schon halb verglüht!
Und dem Freunde, dem erschreckten,
Deucht, er muss euch eilig pflücken,
Dass ihr nicht zu schnell verblüht!


Die Rosen treffen dich schon bleich
im Kreise deiner Schwestern.
Der weißen bist du heute gleich,
der roten glichst du gestern
Und doch kommen sie zur rechten Frist
um diesen Sarg zu decken
und, wes du warst und was du bist,
noch einmal zu erwecken.


Als du frühmorgens gingst
Und an der Sonne hingst,
Pflücktest du dir,
Die, von ihr angeglüht
Still vor ihr aufgeblüht,
Und nun den Duft versprüht,
Rosen zur Zier.
Hältst sie noch abends fest?
Schmeichelte dir der West
Längst sie nicht ab?
Siehst ja, ihr Leben schwand!
Wo ist der Farbenbrand?
Doch nur in deiner Hand
Sind sie im Grab.
Gib sie den Winden preis,                 
Dass sie mit ihnen leis
Düngen den Strauch.
Fühlt's nicht sogleich der Zweig,
Fühlt's doch die Wurzel gleich,
Und ist nur diese reich,
Wird er es auch!


Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.


Wir träumten voneinander
Und sind davon erwacht,
Wir leben, um uns zu lieben,
Und sinken zurück in die Nacht.
Du tratst aus meinem Träume,
Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich eines
Im andern ganz verlor.
Auf einer Lilie zittern
Zwei tropfen, rein und rund,
Zerfließen in eins und rollen
Hinab in des Kelches Grund.

Kennen Sie wirklich das Herz des Menschen so wenig?
Die Bäume, welche er pflanzt und begießt
und säubert von Raupen und Würmern,
Werden ihm nimmer zu grün,
doch leicht die Armen zu fröhlich